Gudrun Beckmann-Kircher bringt kfd-Gäste ins Gespräch
Münster-Wolbeck -agh-. Dass Gudrun Beckmann-Kircher am Freitag bei der kfd über jüdische Familien in Wolbeck erzählen konnte, hat eine Vorgeschichte.
Eine Zugezogene interessierte sich für die Ortsgeschichte – und ging in eine Buchhandlung: „Da gab’s keine“. Gudrun Beckmann-Kircher fand die Briefe von Heinrich Schmeken, die es als Loseblatt-Sammlung gab, und ging ins Stadt-Archiv. Dann gab sie zu Wolbeck Kurse über die VHS, die im „._“ bei Angela Hoebink stattfanden. Da kamen viele Alteingesessene, unter ihnen Bernhard Bussmann. Dann sprach Günter Artmann sie an. Jetzt müsse sie auch ein Buch schreiben – dann steuere er gern Zeichnungen bei. Das erste Wolbeck-Buch erschien. Ein Kapitel befasst sich mit den Juden in Wolbeck. Später schrieben Peter Schilling und Monika Simonsmeier mit ihr das Buch „Spuren der Erinnerung an jüdische Familien in Münster-Wolbeck: Lebensgeschichten – neu entdeckt“, das 2017 erschien. Erst im Laufe der Jahre hätten die Menschen ihr gegenüber freier gesprochen über diese Zeit.
Das Treffen im Pfarrheim mit 30 Gästen machte die jüdischen Mitbürger lebendig, nicht nur über ihre von Teilnehmern vorgelesenen Namen: Alle im Nationalsozialismus ermordeten Mitglieder der Familien Heilbronn, Philipps, Marx, Baum, Hoffmann, Baumgarten und Falke. Beckmann-Kircher nannte auch die Häuser, in denen sie wohnten, z.B. die heutige Buchhandlung Buchfink, die heutige Bäckerei Krimphove, und einige weitere. Lange schon zeugen „Stolpersteine“ in Wolbecker Bürgersteigen von ihnen.
Beckmann-Kirche ließ auch Familienfotos herumgehen und las aus Briefen. Vor dem NS-Regime waren Juden anderer Religion und man heiratete nicht über Konfessions-Grenzen hinweg, ansonsten waren sie normale Nachbarn und Vereinsmitglieder auch mit Ämtern im Vorstand. Das galt auch für den wichtigen „Kriegerverein“, in dem Siegfried Heilbronn lange wirkte. Das Wolbecker Ehrenmal führt in der Liste der Gefallenen des Ersten Weltkriegs auch den Namen „Weinberg“. Dann stellte Propaganda das Andersartige heraus, es kam zu Spaltung, Feindschaft, schließlich Deportation und Vernichtung. „Wolbeck war sehr katholisch, sehr zentrumsorientiert“, so Beckmann-Kircher. Bei den Wahlen von 1932 hätten hier über 66 Prozent Zentrum gewählt, in Deutschland insgesamt gut 11 Prozent, für die NSDAP 18,4 gegenüber 33 Prozent. Auch hier saß dann die SS im Kurhaus. „Zu Hause bleiben und die Vorhänge zuziehen, das geht nicht“, so die Referentin mit Blick auf heute.
Immer wieder flochten Gäste Beobachtungen ein, die sich mit dem Leben in der NS-Diktatur befassten, mit den Gefahren des Widersprechens selbst in vermeintlich „privaten“ Situationen.
Am 6.12.2024 trifft sich die kfd wieder um 15 Uhr im Pfarrheim; der „Nikolaus“ soll kommen.
() Mit einem allgemeinen Buch über Wolbecks Geschichte fingen Gudrun Beckmann-Kirchers Recherchen an. Foto: anh.
() Rita Kunze (m.) und Hildegard Rösel danken für die kfd der Referentin Gudrun Beckmann-Kircher (l.) für Vortrag und Gespräch. Foto: anh.