16.03.2025

„Erfolgreicher Spracherwerb findet außerhalb des Unterrichts statt“

Podcast: Germanistin Christine Dimroth über den Fremdsprachenunterricht an Schulen und Sprachensterben

Im aktuellen Fremdsprachenunterricht bleiben die natürlichen Lernfähigkeiten der Schüler weitgehend ungenutzt, da das alltagsnahe Sprechen zugunsten von Regelvermittlung vernachlässigt wird. Germanistin Christine Dimroth fordert einen methodischen Wandel, der den frühzeitigen, praxisbezogenen Spracherwerb in den Mittelpunkt stellt. Zudem betont sie, dass in einer multikulturellen Gesellschaft zwischen sprachlicher und beruflicher Kompetenz unterschieden und der natürlichen Sprachentwicklung Raum gegeben werden muss.

Mit dem aktuellen Fremdsprachenunterricht in den Schulen werden unsere Fähigkeiten, eine fremde Sprache zu lernen, bei weitem nicht ausgeschöpft. Zwar sei es nachvollziehbar und richtig, Kinder möglichst früh beispielsweise Englisch beizubringen, betont die Germanistin Prof. Dr. Christine Dimroth von der Universität Münster. Entscheidend sei allerdings die Methode. „Es sollten weniger die Regeln, sondern das alltägliche Sprechen im Vordergrund stehen“, betont die Sprachwissenschaftlerin in der neuen Podcast-Folge „Umdenken“ der Universität Münster mit Blick auf den Internationalen Tag der Muttersprache am 21. Februar. Mehrere Studien belegten, dass sich Kinder, die ab der Sekundarstufe Englischunterricht bekommen, in ihrer Sprachkompetenz spätestens ab der achten Klasse kaum von denjenigen unterschieden, die bereits seit der Grundschule Englisch lernen. „Der erfolgreichste Spracherwerb findet sehr früh statt“, ergänzt Christine Dimroth. „und zwar in einer Phase, in der wir grammatikalische und orthographische Regeln noch nicht lernen können.“

Zudem plädiert die Sprachwissenschaftlerin dafür, insbesondere bei Zuwanderern zwischen der sprachlichen und beruflichen Kompetenz zu unterscheiden. Die Tatsache, dass ein Arzt mit einem Akzent spreche, habe nichts mit dessen medizinischen Fähigkeiten zu tun. „Als Einwanderungsgesellschaft sollten wir andere Sprachen oder Sprachvarietäten nicht als Bedrohung oder Konkurrenz zu unserer eigenen Sprache einstufen“, betont Christine Dimroth. „Insbesondere vor dem Hintergrund der notwendigen Fachkräfteeinwanderung müssen wir uns daran gewöhnen.“

Und wie bewertet die Germanistin das Aussterben vieler Sprachen? Einerseits sei es „bedauernswert“, dass Schätzungen zufolge von den weltweit rund 7.000 Sprachen mehr als die Hälfte vom Aussterben bedroht ist. Andererseits sei dieser Trend eine „Normalität des sprachlichen Handelns“. Demnach würden die meisten Menschen Sprachen lernen, die ihnen die größten Lebenschancen eröffnen – sei es im Alltag, in der Bildung oder im Beruf. „Viele werden zu den Sprachen übergehen, mit denen sie eine hohe kommunikative Reichweite haben. Das lässt sich kaum verhindern“, erklärt Christine Dimroth.

Umdenken – der Podcast der Universität Münster

Im Podcast der Universität Münster kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen zu Wort. Sie berichten über ihre Forschungsschwerpunkte, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse und ihre persönliche Motivation. Alle Folgen sind auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts und unter folgendem Link zu hören: https://www.uni-muenster.de/kommunikation/podcast/index.html