Deutschland braucht Tank-Infrastruktur auch für die innere und äußere Sicherheit / Strom-Abhängigkeit gefährlich, so Fachleute
Ein Offener Brief aus der Wissenschaft hebt die Notwendigkeit hervor, die industrielle Basis Deutschlands zu schützen, während gleichzeitig Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden. Verfasst hat ihn die DECHEMA Fachgruppe „Alternative flüssige und gasförmige Kraft- und Brennstoffe“ unter Leitung ihres Vorsitzenden, Prof. Dr.-Ing. Thomas Willner, Professor für Verfahrenstechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg. Die DECHEMA ist die Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, ein eingetragener Verein. Unterzeichnet haben den Offenen Brief rund 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter neben Motoren-Experten auch viele Professoren deutscher Universitäten und Hochschulen aus den Bereichen Fahrzeugtechnik, Verfahrenstechnik oder Chemie.
Inhalt
Worum geht es?
Dabei betont Willner:
- Technologieoffenheit statt einseitiger Elektrifizierung: Er argumentiert gegen eine reine Fokussierung auf Elektrifizierung und Wasserstoff und fordert eine Berücksichtigung alternativer erneuerbarer Energieträger wie Biomasse und synthetische Kraftstoffe.
- Kritik an der aktuellen Politik: Die derzeitige Regulierung und steigende Energiekosten werden als Hemmnis für den Industriestandort Deutschland dargestellt.
- Sicherheitsaspekt: Der Erhalt der Raffinerie- und Gasinfrastruktur wird nicht nur wirtschaftlich, sondern auch als strategisch für die Krisenvorsorge und Verteidigungssicherheit gesehen.
- Globale Wettbewerbsfähigkeit: Ohne gleiche Bedingungen auf internationaler Ebene droht Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.
Fazit:
Willner plädiert für eine pragmatische und industrieorientierte Klimapolitik, die verschiedene technologische Wege berücksichtigt. Sein Brief reflektiert eine wirtschaftsnahe Perspektive und stellt eine klare Forderung an die Politik, sich nicht nur auf Elektrifizierung zu konzentrieren, sondern auch andere Lösungen zuzulassen, um sowohl Klimaschutz als auch wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten.
Zusammenfassung des offenen Briefes
In dem offenen Brief fordert Prof. Dr.-Ing. Thomas Willner von einer zukünftigen neuen Bundesregierung eine Reihe von Maßnahmen zur Sicherung des Industriestandorts Deutschland, zur Klimapolitik und zur Energieversorgung. Die wichtigsten Punkte sind:
- Fokus auf reale Klimawirkung bei Klimaschutzmaßnahmen, nicht nur auf Elektrifizierung und Wasserstoff.
- Technologieoffenheit und Skalierung aller Optionen zur Reduzierung von Treibhausgasen.
- Deindustrialisierung stoppen durch niedrigere Energiekosten, Bürokratieabbau und gezielte Förderung erneuerbarer stofflicher Energieträger (z. B. erneuerbare Kraftstoffe und Chemikalien).
- Erhalt der kritischen Infrastruktur für Raffinerien, Tankstellen und Gasnetze zur Krisen- und Verteidigungssicherheit.
- Bessere politische Koordination durch ein zentrales Ministerium für erneuerbare stoffliche Energieträger.
- Investitionssicherheit durch verlässliche Rahmenbedingungen über 2040 hinaus.
- Internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemie- und Kraftstoffindustrie durch gleichberechtigte Technologieentwicklung.
- Fairer globaler Wettbewerb für nachhaltige Rohstoffe mit gleichen Kontrollmechanismen.
Offener Brief an die neue Bundesregierung (Volltext)
Sehr geehrte Mitglieder der neuen Bundesregierung,
folgende Handlungsempfehlungen haben aus Sicht der unterzeichnenden Personen aus der Wissenschaft höchste Priorität, um in der herausfordernden und risikoreichen Zeit großer Transformationen die übergeordneten Zielfelder Klimaschutz, Industriestandortsicherung, soziale Gerechtigkeit sowie innere und äußere Sicherheit zu verbinden und die Erfolgschancen zu maximieren. Im Ergebnis muss der Standort Deutschland weiterhin attraktiv bleiben für Investitionen in Innovationen sowie marktfähige Forschung und Entwicklung.
- Gleichberechtigte Nutzung und schnellstmögliche Skalierung aller Handlungsoptionen und Technologien für sektorübergreifende Treibhausgasreduktion als Voraussetzung für beschleunigtes Wirtschaftswachstum, Versorgungssicherheit und soziale Gerechtigkeit.
- Umkehrung der bereits begonnenen Deindustrialisierung durch Entbürokratisierung, Senkung der Energiekosten und maßgebliche Förderung von nachhaltigen erneuerbaren stofflichen Energieträgern für Transport (Kraftstoffe), Wärme (Brennstoffe) und Chemie (Basischemikalien).
- Absicherung der kritischen Infrastruktur auch für den Krisen- und Verteidigungsfall durch den Erhalt und die Errichtung bestehender Raffinerie-, Gas- und Tankstellennetze für nachhaltige erneuerbare stoffliche Energieträger in Deutschland. Eine Beschränkung der Verwendung stofflicher Energieträger auf kleine Bereiche (Luft- und Schifffahrt, Schwertransport, Militär, Polizei usw.) wird keine ausreichenden Investitionen zur Erhaltung der kritischen Infrastruktur zur Folge haben.
- Bündelung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für Produktion und Nutzung nachhaltiger erneuerbarer stofflicher Energieträger für Transport, Wärme und Chemie in einem Ministerium zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit. Eine sektorunabhängige Anerkennung der Treibhausgasminderung mittels erneuerbarer stofflicher Energieträger ist unabdingbare Voraussetzung für die Investitionssicherheit der Industrie.
- Schaffung von verlässlichen Rahmenbedingungen und langfristiger Sicherheit für Investitionen in die Produktion und Nutzung von nachhaltigen erneuerbaren stofflichen Energieträgern über 2040 hinaus (z. B. Ersatz des Tail-Pipe-Emissionsansatzes durch einen Cradle-to-Cradle-Ansatz, Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien).
- Sicherung der internationalen und Exportfähigkeit der deutschen Chemie- und Kraftstoffindustrie durch gleichberechtigte Technologien für die Produktion und Nutzung alternativer erneuerbarer stofflicher Energieträger für eine nachhaltige Energie- und Rohstoffversorgung.
- Schaffung eines global fairen Wettbewerbs für nachhaltige erneuerbare Rohstoffe und gleichberechtigte Kontrollmechanismen.
- Klimaschutz- und Energiewende-Anforderungen von Klimaschutzmaßnahmen ausschließlich anhand der realen Klimawirkung bewerten (CCT-Betrachtung). Eine erneuerbare Kohlenstoffwirtschaft ist nicht durch eine Defossilisierung mit Elektrifizierung allein realisierbar, sondern erfordert auch die Möglichkeit der Vergasung von Restbiomasse, CO₂-Gekrackt aus Atmosphäre durch feste Langzeit-Kohlenstoffspeicher als Grundlage der Kreislaufwirtschaft, nicht bloß mit Elektrifizierung, Wasserstoff oder Ammoniak allein.
Hamburg, den 14.03.2025
(Unterschrift)
Prof. Dr.-Ing. Thomas Willner
thomas.willner@haw-hamburg.de
[es folgt im Original die Liste der Unterzeichner des Offenen Briefes der Fachgruppe „Alternative flüssige und gasförmige Kraft- und Brennstoffe“ der DECHEMA an die Bundesregierung, 2025] Quelle: https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:ugcPost:7307117511999692801/